Montag, 6. April 2009

Kapitel 4 + 5 (s. 86-145)

Im Radio hört man, dass Hitler gefallen sei, dass Hamburg sich kampflos ergebe und dass der Krieg endlich aus und vorbei sei. Juhu, alles ist super, alles ist wunderbar ! werden bestimmt die meisten Leute zu Recht denken, weil sie es satt haben nach fünf Jahren Krieg und Zerstörung. Aber Lena sieht die Dinge anders, denn für sie bedeutet das Ende des Krieges wohlmöglich das Ende ihrer Beziehung mit Hermann. Und das will sie auf jeden Fall vermeiden. Aus diesem Grund trifft sie die Entscheidung, Hermann die Kapitulation der Deutschen zu verschweigen. Wenn Hermann vom Kriegsende nichts erfährt, dann glaubt er, dass er einen Grund hat, bei Lena Brücker zu bleiben. Er denkt nämlich, dass er drinnen bei Lena sicherer ist als draußen bei der Wehrmacht. Und dass er bleibt, ist auch, was Lena sich wünscht, denn inzwischen ist zwischen ihr und Hermann eine Art Liebe entstanden. Was sie aber nicht ahnt, ist, dass es Hermann nicht gut tut, bei ihr zu bleiben. Er fühlt sich eingesperrt und kann das Gefühl der Freiheit, das man normalerweise draußen fühlt, nicht mehr genießen. Außerdem lebt er noch in ständiger Angst, wie ich im letzten Eintrag beschrieben habe, weil er denkt, dass der Krieg immer noch läuft. Lena hat nicht über die Folgen ihres Verschweigens, oder soll ich sagen, ihrer Lüge nachgedacht. Sie weiß nicht, dass die Angst und die Eifersucht auf die "freien" Mitmenschen, die Hermann empfindet, zu einer Art Vulkan kochen könnten und dass dieser Vulkan voller Gefühle auszubrechen droht. Dieses Gefühlsausbruch wird wunderbar von Uwe Timm beschrieben, deshalb habe ich den Zitat kopiert. (Viel Spaß bei den langen Sätzen!)
"Verstehst du, es geht um mein Leben. Ja, O.K., sagte sie. Er stutzte, sah sie entgeistert an, einen Augenblick. Wie kam das Wort in ihren Kopf? Für ihn geht es um Kopf und Kragen, und sie sagt O.K. Er tat ihr plötzlich leid, wie er dastand mit einem hochroten Gesicht, wie ein trotziges Kind. Es ging ja schon nicht mehr um sein Leben, schon seit Tagen nicht mehr. Und weil er ihr leid tat, machte sie genau das Falsche, sie sagte die Wahrheit. Sie sagte: Es ist gar nicht so schlimm, wie du denkst. Da begann er zu brüllen, und desto lauter, je öfter sie Pscht machte. Die Nachbarn. Scheißegal! Was?! Können mich mal. Du läufst rum, aber auf mich warten draußen die Kettenhunde. Unsinn. Du sagst Unsinn? Die stellen mich an die Wand! Und du sagst einfach Unsinn. Du sagst O.K. Er wischte mit dem Arm über den Tisch. Er machte reinen Tisch, wischte den Atlas runter, die Teller, die Tassen, die Messer, Gabeln, auch die Gläser zersplitterten am Boden. Er lief zur Tür, die sie, wie immer, ganz selbstverständlich abgeschlossen hatte, er wollte raus, und da sie den Schlüssel abgezogen hatte - nie zuvor war ihr aufgefallen, dass sie den Schlüssel, als hielte sie ihn gefangen, abzog -, schlug er - außer sich vor Wut - mit der Faust gegen die Türklinke und nochmals, mit aller Wucht. Da nahm sie ihn von hinten in die Arme, sie wollte ihn besänftigen, beruhigen, aber er schlug nochmals zu, und so versuchte sie, ihn festzuhalten, da schlug er nach hinten, nach ihr, und so presste sie ihm um so fester die Arme an den Leib, so dass sie plötzlich dastanden und miteinander rangen, sie hielt ihn von hinten umklammert, er versuchte sich zu befreien, die Arme frei zu bekommen, beide wankten, stöhnten, ächsten, aber ohne ein Wort zu sagen, in äußerster Anspannung ihrer Kräfte, er versuchte, den rechten Arm aus ihrem Griff herauszudrehen, vergeblich, sie, die als Mädchen schon einen Ewer mit einem Peekhaken bewegen konnte, presste ihm die Arme an den Leib, presste mit aller Kraft, er ließ sich auf den Boden fallen, riß sie, die nicht losließ, mit, wälzte sich auf den Rücken, auf die Seite, wollte sie wegdrücken, kam mit Schwung auf dem Bauch zu liegen, das Gesicht schrammte über den kratzigen Kokosläufer, weil er den Kopf herum- und hochriß, da spürte sie, wie der Druck seiner Arme nachließ, dieses ruckartige Zerren, er ließ den Kopf auf den Boden fallen, als wolle er schlafen, da ließ sie ihn los, und aus seinem Mund kam ein Aufseufzen, ein, langsam leiser werdendes Keuchen. Er murmelte eine Entschuldigung. Er setzte sich auf, sie zog ihn an der linken Hand hoch, seine rechte blutete, die Knöchel, die Haut war aufgeplatzt und aufgeschürft. Erst jetzt spürte er den Schmerz, einen irrsinnigen Schmerz. Er hielt die Hand unter das fließende kalte Wasser, damit sie nicht weiter anschwoll. Beweg mal die Finger. Er bewegte die Finger, es tat weh, aber er konnte sie bewegen. Dann ist nichts gebrochen, sagte sie. Einen Moment kämpfte sie mit sich, ob sie gestehen solle, sie habe ihm etwas verschwiegen, nein, habe ihn nicht belogen, aber jetzt konnte sie es nicht mehr sagen, jetzt war es zu spät. Es war ein Spiel gewesen. Jetzt war daraus Ernst geworden, blutiger Ernst."
Ich würde einfach sagen: Pech für Lena Brücker. Sie ist zu egoistisch und kümmert sich nur um ihr Wohl. Sie will Hermann allein für sich behalten und hat nicht darauf geachtet, was ER sich eigentlich wünscht. Wenn man in einer Beziehung nicht genug auf den Anderen Acht gibt, kann es nur zum Streit kommen. Dieser Zank ist unvermeidbar und sie
alleine trägt die Schuld für dieses Chaos in ihrer Beziehung mit Hermann. Ich finde es logisch, dass sie die Folgen ihrer Taten erleidet.

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